Die "Villa Haselburg"


Die römische Villa "Haselburg" gehört zu mehreren hundert bekannten Gutshöfen aus der Römerzeit in Hessen. Abgesehen von den Kastelldörfern am Limes gab es in unserem Raum in römischer Zeit sehr viel weniger Dörfer als im Mittelalter oder heute. Das Land wurde von großen Gutshöfen aus bewirtschaftet, die beinahe regelhaft die Nutzfläche unter sich aufteilten, was zumindest eine teilweise Vermessung des Landes nahelegt.
Die Mehrzahl dieser römischen Villae Rusticae in Hessen befand sich in der fruchtbaren Wetterau, in Südhessen besonders im Ried, der Dieburger und der Groß-Umstädter Senke sowie in den Flusstälern des vorderen Odenwaldes (Mümling und Gersprenz). Unter all diesen Anlagen stellt die "Haselburg" die bislang größte bekannte und am weitesten durch Grabungen erforschte Anlage dar, obwohl sie - auf einer Hochfläche über den Tälern von Gersprenz und Mümling im vorderen Odenwald gelegen - nur einen vergleichsweise kargen Boden zur Verfügung hatte.
Unter Kaiser Hadrian (* 76 n. Chr., + 138) wurde der römische Odenwaldlimes (von Wörth nach Bad Wimpfen) errichtet. Um 125 n. Chr. kam es zur Gründung der civitas Auderiensium mit dem Hauptort Dieburg (vicus MED…).Unter Hadrians Nachfolger Antoninus Pius (bis 161 n.Chr.) wurde der Limes zugunsten einer vorgezogenen Linie von Miltenberg nach Lorch aufgegeben. Seit hadrianischer Zeit entstanden in Südhessen zahlreiche Villae Rusticae, wobei die Haselburg gut in diesen Zeitrahmen hineineinpasst: Die Fundstücke (in der Masse Keramikfunde aller Art) legen einen Beginn der Anlage um 130 n. Chr. nahe. Wahrscheinlich bestand nach 130 n.Chr. ein Erstgebäude, bis nach der Verlegung des Limes die Villa westlich davon gebaut wurde.

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Die römische Besiedlung Hessens im 2. Jahrhundert nach Chr.
Die römische Besiedlung Hessens im 2. Jahrhundert n. Chr. Dreiecke sind in der Regel römische Villenplätze. Aus D. Baatz/ F.-R. Herrmann (Hrsg.), Die Römer in Hessen² (Stuttgart 1989).


Die Haselburg stellt eine der größten bekannten, vor allem aber die am großflächigsten ausgegrabene Anlage ihrer Art in Hessen dar. Sie wurde seit 1979 freigelegt, als das Gelände vom Bau mehrerer Gasfernleitungstrassen der Ruhrgas AG betroffen war. Dank des Entgegenkommens der Firma Ruhrgas wurde die Gasleitung in einem Rohr unter der Anlage hindurchgetrieben, um den Schaden an der archäologischen Substanz so gering wie möglich zu halten.
Die seit dem frühen 19. Jahrhundert bekannte, jedoch nur wenig ergrabene Anlage wurde daraufhin großflächig vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen freigelegt, während der Verein seit 1984 neben ergänzenden Grabungen besonders die wissenschaftliche Erforschung , die Rekonstruktion sowie den Erhalt der Anlage gefördert hat.
Dadurch konnte eine Hoffläche von 183,5 x 185,5 m (etwa 3,4 ha) eingehender erforscht werden. Zunächst wurde der Komplex des Hauptgebäudes freigelegt, an das ein großzügiges Bad und ein "Wirtschaftshof" (das frühere Erstgebäude) angelehnt waren. Die späteren Grabungen klärten weitere Fragen südlich und westlich dieses Baukörpers, bezüglich der Umfassungsmauern sowie der Hoffläche insgesamt. So konnte westlich des Hauptgebäudes ein kleines Gebäude mit Vorhof als Jupiterheiligtum mit originalem Aufstellungsort einer Jupitergigantensäule identifiziert werden. Diese insgesamt recht großzügige und für rechtsrheinische Verhältnisse große Anlage legt nahe, dass sich hier ein Mitglied der provinzialen Oberschicht niedergelassen hat, das größeren Wert auf eine repräsentative Gestaltung legte.

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Grundriss der Haselburg nach den Grabungen 1979-86
Plan der Villa "Haselburg" nach den Grabungen des LfD 1979-86. Aus F.-R. Herrmann, Die villa rustica „Haselburg“ bei Hummetroth. Archäologische Denkmäler in Hessen 55² (Wiesbaden 2001).


Wie so häufig in der Wissenschaft, werfen Forschungen neue Fragen auf. So sind trotz umfangreicher Grabungen und auch späterer geophysikalischer Vermessungen nur ein größeres und ein kleines Nebengebäude zu dem recht prachtvoll ausgestatteten "Herrenhaus" bekannt. Das Freilichtmuseum "Römische Villa Haselburg" hat sich in der Folgezeit zu einem beliebten Ausflugsziel entwickelt. Das gesamte Areal der römischen Villa wurde von der Gemeinde Höchst i. Odw. gekauft und zu einem kleinen archäologischem Park mit rekonstruierten Grundmauern, Schautafeln und angemessener Begrünung umgewandelt, das viele Besucher anlockt - bietet die Haselburg doch die Möglichkeit, Geschichte hautnah in einer traumhaften Landschaft mit Blick über den vorderen Odenwald zu erleben. Die Römer haben hier komfortabel gewohnt und vor bald 1900 Jahren die Vorzüge der Gegend genossen.
Seit Ende des Jahres 2003, beinahe 20 Jahre nach den Grabungen wird die Haselburg momentan im Rahmen einer Doktorarbeit an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M. bearbeitet, mit dem Ziel, zu einer Monographie dieser bedeutenden Ausgrabungsstätte des Odenwaldes zu gelangen ([weitere Informationen auf der Homepage der Universität, aktueller Link wird noch eingefügt).
Die Haselburg birgt immer noch Geheimnisse, die die archäologische Wissenschaft nicht aufklären kann, so z.B. die Frage nach der wirtschaftlichen Grundlage eines derart großen Hofes auf vergleichsweise kargem Boden, nach der Verwendung der Villa als Wohnsitz oder als Repräsentationsanlage, nach dem ungewöhnlichen Bautyp des Hauptgebäudes und vieles mehr.

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Blick über die Anlage und in den vorderen Odenwald.

Die Frage nach dem Ende der Haselburg als römische Villa kann wiederum aufgrund der Fundstücke schon insoweit beantwortet werden, als sie wahrscheinlich nicht mehr als 100 Jahre existiert hat. Als sich im Verlauf des 3. Jahrhunderts n. Chr. germanische Übergriffe auf das Grenzland häuften, scheint sie frühzeitig verlassen worden zu sein. Den endgültigen Fall des römischen Limes (260 n. Chr.) haben ihre Bewohner auf keinen Fall erlebt, wahrscheinlich sind sie schon einige Jahre zuvor weggezogen. Danach verfiel die Anlage, teilweise wurde sie als Steinbruch benutzt. Jedenfalls hinterließ sie einige Trümmerhaufen, die nach Berichten im 19. Jahrhundert noch über einen halben Meter hoch waren. Da man dort nur eingeschränkt Ackerbau betreiben konnte, wuchsen auf diesen Mauerresten Haselsträucher, wovon die Anlage ihren heutigen Namen hat.

Das Ziel des Vereins ist es heute, die Haselburg als vorzüglichen zivilen Fundort in Hessen angemessen im Verbund mit dem Verein Museumsstraße Odenwald-Bergstraße http://www.museumsstrasse.de.vu zu präsentieren. Das beinhaltet sowohl  die Erforschung als auch die Pflege der Anlage und das Angebot des Römermuseums im neu errichteten Informationszentrum]